Laura Holder, Kommunikation und Verteilung © Natalia Bronny
Laura Holder |

Wir arbeiten daran, unsere App inklusiver zu gestalten. Dabei ist ein wichtiger Punkt, das Sprachenangebot auszubauen. Hier arbeiten wir mit Übersetzer*innen und Sprachmittler*innen zusammen. Eine davon ist Salome Calle. Sie ist fachliche Lektorin und arbeitet als sozialpädagogische Familienhilfe im interkulturellen Kontext. Davor war sie für die BIG-Koordinierung im Bereich "Häusliche Gewalt im Kontext Flucht" tätig. Salome war an der Übersetzung der App-Inhalte ins Spanische beteiligt. Wir durften ihr einige Fragen zu ihrer Arbeit stellen. Danke für deine Unterstützung Salome!

Welche Hürden siehst du bei der Übersetzung im Kontext Partnerschaftsgewalt?

Ich denke oft darüber nach, wer diese Texte lesen wird und wie sie gelesen und interpretiert werden. Die Formulierung und Übersetzung von Texten ist eine große Verantwortung. Es erleichtert mich, dass hilfreiche Texte zur Bekämpfung von Gewalt in Paarbeziehungen gelesen werden. Dennoch frage ich mich, wie sie aufgenommen werden. Manche rechtlichen Begriffe in Deutschland sind sehr komplex, ebenso wie die damit verbundenen Prozesse. Sie klar zu formulieren und zu vermitteln, ist oft eine Herausforderung. Da Begriffe stark vom Kontext abhängen, frage ich mich immer, ob die Texte so verstanden werden, wie sie gemeint sind.

Welche spezifischen sprachlichen Unterschiede müssen berücksichtigt werden?

Im Spanischen spielt die Berücksichtigung der Unterschiede zwischen den regionalen Varianten in den verschiedenen Ländern Lateinamerikas eine wichtige Rolle. Ein Wort, das in Kolumbien respektvoll oder lustig ist, kann in El Salvador eine völlig gegensätzliche Bedeutung haben. Das macht es sehr schwer, angemessen darauf zu reagieren. Es gibt über 20 spanischsprachige Länder, und insbesondere das Spanisch aus Spanien ist mir wenig vertraut.

Wie kann eine Übersetzung verständlich und nicht retraumatisierend/stigmatisierend wirken?

Die ursprünglichen Formulierungen auf Deutsch wurden bereits intensiv reflektiert und durchdacht. Das bildet auf jeden Fall eine gute Basis für weitere Übersetzungen. Den Hauptteil der Übersetzungen übernahm eine Agentur mit äußerst kompetenten Übersetzer*innen. Wir arbeiteten eng zusammen, um sicherzustellen, dass keine Begriffe retraumatisierend oder stigmatisierend wirken. Das Gendern stellte eine große Herausforderung dar: Sternchen? @ ? X ? – es ist in jedem spanischsprachigen Land völlig unterschiedlich und noch dazu es ist abhängig von Bildung, Kontext und Aufenthaltsdauer der Betroffenen in Deutschland. Besonders wichtig war immer der Austausch mit den anderen Beteiligten.

Inwiefern beeinflusst die Wahl bestimmter Begriffe die Wahrnehmung des Themas Gewalt?

Die „verkehrte“ Wahl eines Wortes kann beispielsweise dazu führen, eine Situation zu bagatellisieren. Nicht allen Betroffenen, die die App nutzen, ist bewusst, dass sie von Gewalt betroffen sind. Viele möchten nur kurz reinschauen oder sich vergewissern, dass der Vorfall doch keine Gewalt war. Es ist ein schmerzhaftes Thema und selbst darüber zu lesen, kann schwerfallen. Auch in der Beratung ist es oft nicht einfach, die richtigen Worte zu finden. Vor Ort kannst du dich korrigieren und sagen: „Das wollte ich nicht so ausdrücken, was ich meine, ist ...“. In der App bleibt der Text jedoch so stehen, wie er formuliert wurde. Es ist gut, dass mehr als eine Lektor*in und Übersetzer*in dafür zuständig sind!

Manche Begriffe oder Konzepte können nicht direkt übersetzt werden. Wie gehst du damit um?

Rechtliche Begriffe und Konzepte, bestimmte Unterlagen und Anträge waren sehr schwer zu übersetzen. Ich habe die Übersetzung der Agentur übernommen, aber wirklich zufrieden bin ich mit diesen Begriffen nicht. In jedem Land heißen sie anders, funktionieren unterschiedlich oder existieren schlichtweg nicht. Für Personen, die schon lange in Deutschland leben, sind diese Begriffe hoffentlich selbstverständlich. Für neu ankommende Menschen bleiben sie jedoch oft unverständlich. Das Thema „digitale Gewalt“, das relativ neu ist, stellte ebenfalls eine Herausforderung dar, da es schwierig war, passende Wörter oder Begriffe dafür auf Spanisch zu finden.

Wie können Übersetzer*innen ihrer Verantwortung gerecht werden? Gibt es Fortbildungen?

Ja, die gibt es. Ich bin selbst keine Übersetzerin, sondern war als fachliche Lektorin tätig und habe den Übersetzer*innen geholfen, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Es war eine großartige Idee, Menschen aus dem Hilfesystem einzubinden, um die Übersetzung zu unterstützen.

Welche Aspekte sind bei gewaltsensibler Sprache in Übersetzungen noch besonders wichtig?

Begriffe, Konzepte, Ideen usw., die in Deutschland, Europa oder anderen Industrienationen entwickelt wurden, sind nicht weltweit gültig und nicht überall selbstverständlich. In Deutschland leben Menschen aus vielen verschiedenen Nationalitäten, und das muss bei der Übersetzung berücksichtigt werde. Gewaltsensible Sprache muss auch kultursensible sein.